Sergei Jessenin
Brief an die Mutter

Bist du noch am Leben, gute Alte?
Auch ich lebe noch. Sei mir gegrüßt!
Daß sich über deiner kleinen Kate
Stets am Abend jenes Licht ergießt!

Schreiben mir, daß du in siecher Sorge
Über mich in tiefen Kummer fällst,
Daß du auf und abläufst oft im Dorfe
Im verblichnen, abgetragnen Pelz.

Und im abendlichen, blauen Dunkel
Siehst du ein ums andre Mal nur wie
Mir bei Schlägereien in Spelunken
's Messer unters Herz gestoßen wird.

Laß doch, traute Mutter, solche Greuel,
Die bedrückend dir vor Augen stehn;
Bin noch nicht so'n abgeharmter Säufer,
Daß ich stürbe, ohne dich zu sehn.

Zärtlich bin ich noch, genau wie früher,
Und ich denk mir ständig Wege aus,
Wie ich aus der rauhen Schwermut wieder
Heimkehrn kann in unser enges Haus.

Werde kommen, wenn der weiße Garten
Frühlingshaft die Zweige von sich streckt.
Doch dann weck mich nicht wie vor acht Jahren,
Als du mich fruh morgens schon geweckt.

Das, was ausgetraumt ist, laß es ruhen,
Rühre nicht an das, was längst entschwand, —
Allzu fruh hab ich vergebne Mühen
Und Verlust erfahren und gekannt.

Und belehr mich nicht, ich solle beten!
Sinnlos! Dorthin führt kein Weg zuruck.
Du nur bist mein Schutz und Trost in Noten,
Du nur bist mein abendliches Licht.

Laß es doch, daß du in siecher Sorge
Über mich in tiefen Kummer fällst.
Lauf nicht auf und ab so oft im Dorfe
Im verblichnen, abgetragnen Pelz

Übersetzt von unbekannter autor